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Speed-Dating – Sinn und Unsinn von Hundeauslaufflächen

„Speed-Dating“ ist eine vor 25 Jahren erfundene Methode, neue Flirt- oder Beziehungspartner zu finden. Laut Wikipedia nehmen maximal 10 Personen pro Geschlecht teil, die in verschiedenen Runden jeden Teilnehmer des anderen Geschlechts kennenlernen – soweit das in 8 Minuten überhaupt möglich ist, denn länger hat man nicht Zeit, bevor ein Gong ertönt, und der nächste „Bewerber“ am Tisch sitzt.
Es gab diverse wissenschaftliche Untersuchungen zu diesen Speed-Dating-Veranstaltungen. Man fand heraus – wen wundert es – dass die „inneren Werte“ des Gegenübers letztlich völlig nebensächlich waren…

Das Vorhaben vieler Hundehalter, ihren Vierbeinern auf Hundewiesen neue soziale Kontakte zu bieten, mutet oft an wie ein Speed-Dating. Allerdings haben zwei Hunde dabei meist nicht mal 8 Minuten Zeit, sich auch nur ein wenig kennenzulernen…

Fragt man Hundehalter nach den Gründen, warum sie mit ihren Vierbeinern ausgewiesene Hundefreilaufflächen besuchen, so sind da beispielsweise diejenigen, die ihre jagdlich motivierten Hunde auf der umzäunten Wiese mal ohne Leine laufen lassen möchten. Oder es sind Menschen, deren Hunde vielleicht keine passionierten Jäger sind, die aber nicht oder nicht zuverlässig auf den Rückruf reagieren. Und dann gibt es natürlich auch die, die mit ihrem Hund zum „Hundespielplatz“ gehen, damit sie mal „ausgelassen mit Artgenossen toben“ können.

Grundsätzlich ist es sicher eine gute Idee, Hunden in Städten, touristischen Gebieten oder „nur“ während der Brut- und Setzzeit in eingezäunten Auslaufbereichen die gesicherte Möglichkeit zu bieten, unangeleint frei laufen zu können. Und es bliebe eine tolle Sache, wenn in den Hundefreilaufgebieten nicht oft genug Anarchie herrschen würde…

Tatsächlich nämlich werden die Hunde meist sich selbst überlassen, sodass physisch oder psychisch unterlegende Hunde von Artgenossen über den Platz gescheucht werden. Zwar kommt es selten zu größeren Raufereien oder gar Verletzungen, aber die Frage ist: Was macht es mit dem Hund?
Grundsätzlich ist Spielverhalten ein äußerst wichtiger Bestandteil des hundlichen Verhaltens. Vor allem im Spiel lernen junge Hunde die so wichtigen Regeln im Umgang mit Artgenossen und Menschen, das richtige Einschätzen von kommunikativen Signalen und die Kontrolle der eigenen Impulse.

Spielen ist eng gekoppelt an das Erkundungs- und Neugierverhalten. Außerdem können Hunde u.a. nur dann spielen, wenn es keinen Grund gibt für Flucht- oder Verteidigung. Man spricht dabei vom „entspannten Umfeld“, in dem Hunde nur spielen können.

Weitere Charakteristika des Spiels sind:

  • Die typischen Endhandlungen fehlen im Spiel, das sog. Beißschütteln zum Beispiel.
  • Spielverhalten wird begleitet von besonderen Ausdruckselementen, wie z.B. der Spielaufforderung durch das Absenken des Vorderkörpers.
  • Spiel ist geprägt von Übertreibungen, Wiederholungen und ausufernden Bewegungen (hopsen, springen, …).
  • Spielverhalten ist eigenmotiviert und macht (allen Beteiligten!) Spaß.
  • Vor allem das Sozialspiel beinhaltet einen häufigen Rollentausch!
  • Spiel ist jederzeit von den Spielpartnern / einem der Spielpartner zu beenden!

Man kann also zusammenfassend sagen, dass Spielverhalten auch ein wichtiger Indikator für das Wohlbefinden der Hunde ist!
Soziale Rennspiele auf Hundewiesen stellen hingegen oft kein soziales Spiel dar. Vielmehr handelt es sich dann um Jagdhandlungen, bei der das Opfer bestenfalls nur unter die Räder, pardon „Pfoten“, kommt. Den Einsatz und die Verbesserung sozialer Kompetenzen zwischen den Hunden sucht man in diesem Zusammenhang meist vergeblich. Körpersprachliche Signale des Gegenübers nimmt der „Jäger“ nicht wahr oder sie werden schlicht ignoriert.

Außerdem lernen alle beteiligten Hunde, „Täter“ wie Opfer“, dass der Mensch nicht existent ist. Im Gegenteil: Halter bringen auch ihre sensiblen, sozial schwachen Hunde in diese fragwürdigen Situationen. Es wäre kein Wunder, wenn diese Hunde das Vertrauen in ihre Menschen verlieren, bringen diese sie doch immer wieder an beschriebenen Orten in die Bredouille – nach dem Motto: gut gedacht, schlecht gemacht.

Gut gemacht würde bedeuten, dass wir unsere Hunde auf der Freilauffläche eben nicht sich selbst überlassen. Wir müssen sie beobachten, Spiel- und Sozialpartner im Vorfeld gewissenhaft auswählen, auf die Anzahl der Tiere und die entstehenden Dynamiken und auf Zeichen von Stress achten.
Wir sollten uns immer wieder vergegenwärtigen, wie schwer es für uns ist, sich auf mehr als ein Gegenüber einzustellen. Dann wird klar, welche Kompetenzen und Anpassungsfähigkeiten wir von unseren Hunden auf Freilaufflächen erwarten – und wie oft sie damit überfordert sind!